Arthur Blythe - der einzigartige Kommunikator
Seine Musik war ein einziges Ausrufzeichen. "Black Arthur", wie Arthur Blythe auch genannt wurde, schmettert seinen wuchtigen Klang hinein in den Raum.
Berühmt ist er für die Kontrolle seines Vibratos, dies sein Zeichen für die Verehrung der alten Swingsaxofonisten, in deren Tradition er sich verwurzelt fühlt. Blythe war aber auch ein Post-Free Saxofonist. Er suchte die abstrakte Linie, die freie Geste in seiner Musik, aber stets war diese verbunden mit einem starken Beat. Seine tiefen, durchdringenden Töne auf dem Altsaxophon sind ein unverwechselbares Kennzeichen seines Sounds.
Geboren 1940 in Los Angeles, spielte er auf dem legendären Album "The Giant Is Awakened" des Pianisten Horace Tapscott, aufgenommen im Jahr 1969. Dieses Album verhalf Blythe wie auch Tapscott zu einiger Anerkennung. Arthur Blythe beginnt sein Solo im titelgebenden Stück mit langen, gehaltenen Tönen, einer Hymne gleich, die Töne schwingen sich empor in höchste Höhen. Die Linien werden durchbrochen von schnellen, chromatischen Klangkaskaden, die Wetterlage steht auf Sturm. Danach bekommen die ruhenden Melodietöne eine noch viel stärkere Bedeutung. Sie sind von solcher Wucht und Intensität, dass die Luft durch sie zerschnitten wird.
"Bush Baby" (1977) ist ein wichtiges Album in der Diskographie von Arthur Blythe. Aufgenommen im Trio mit dem Tubaspieler Bob Stewart und Akhmed Abdullah an den Congas. Das Titelstück beginnt mit der von Tuba und Altsaxophon unisono gespielten Melodie, die Congas kommentieren solistisch, auch in die Zwischenräume hinein. Zu Beginn der Improvisation wird der rhythmische Fluss des Themas noch beibehalten, doch bald entsteht ein kontrapunktisches, äusserst agiles Dreiergespräch. Später ein fast balladesker Teil, wo Anklänge an eine Shehnai (in der nordindischen Musik gespieltes Doppelrohrblattinstrument) ausmachbar sind. Das Saxophon entgrenzt sich, wird zu einem anderen Instrument. (Anklänge an ethnische Musikinstrumente sind auch auf anderen Aufnahmen Blythes zu hören. Beispielsweise auf dem erwähnten Album "The Giant is Awakened" im Stück "The Dark Tree" von Horace Tapscott). Die stupende Technik und Beweglichkeit von Arthur Blythe (und auch von Bob Stewart) sind hier auf schönste Weise zu hören.
Ein anderes, aus meiner Sicht wegweisendes Album ist das 1979 aufgenommene Album "Lennox Avenue Breakdown". Mit einem grösseren Ensemble (Arthur Blythe (Altosaxophon), James "Blood" Ulmer (Gitarre), James Newton (Flöte), Cecil McBee (Bass), Jack DeJohnette (Drums) eingespielt, hören wir wichtige Weiterentwicklungen in seiner Musik. In "Odessa" wird der schöne lange Melodiebogen von Altsaxophon und Flöte unisono gespielt, dies eröffnet neue Möglichkeiten der Orchestrierung. Der kurze Moment, wo die Flöte am Schluss der Melodiephrasen, noch ein wenig länger weiterspielt als das Altosaxophon, bildet ein kurzes Echo auf die Hauptmelodie und umschliesst das Saxophon mit einer "Hülle", das Eine schimmert durch das Andere hindurch. Gitarre, Bass und Schlagzeug lassen ein Netz von polyrhythmischen Möglichkeiten entstehen, ohne dabei den Grundpuls zu verlassen. Die Improvisatoren können verschiedene rhythmische Zustände zur gleichen Zeit aufgreifen, es stehen mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wir sollten dieses grossartige Album genauer hören, um den Beitrag zu würdigen, den "Lennox Avenue Breakdown" zur Jazzgeschichte beisteuert, auch in Bezug auf Ensemblespiel und "Ensemble-Writing".
Immer wieder spielte Arthur Blythe mit Fred Hopkins (Bass) und Steve McCall (Drums). Das 1980 veröffentlichte Album "Illusions" u.a. mit dem wunderbaren Pianisten John Hicks, war meine erste Begegnung mit der Musik von Arthur Blythe. Die "Stimme" von Blythes Altosaxophon ist von grosser Kraft und wie er seine Musik direkt zu kommunizieren vermag hinterliess bei mir einen bleibenden und tiefen Eindruck. Auf dem Album "Illusions" geht es um Alles. Um all die Dinge, die Arthur Blythe in seiner Musik wichtig sind: Blues, Free-Expression, Funk, Swing und die Uebermittlung eines tiefen, inneren Wissens über die Kräfte des Lebens.
Arthur Blythe ist am 27. März 2017 gestorben. Wir haben mit ihm eine grosse und wichtige Stimme des Jazz verloren.