Wie ein Band aufrollen und ins Feuer werfen

Das Geschehen

Geheimnisvoll wie der Mondschein - leise wie das Zirpen von Insekten - und sanft wie die Tautropfen auf den Gräsern.

Die Geschichte weist keine zeitliche Linearität auf. Sie erzählt vom Werden und vom Vergehen, welches sich gegenseitig durchdringt.

 

Den langen Weg, den Du gehen musst, möchte ich wie ein Band aufrollen und ins Feuer werfen - in ein Himmelsfeuer!  

 

君が行く
道の長路を
繰り畳ね
焼き亡ぼさむ
天の火もがも

狭野茅上娘子  
(Sano no Otogami no Otomoe / geschrieben im Jahr 739)

 

Aufstellung der Musiker

Die Musiker sollten guten Sichtkontakt zueinander haben. Alle sind in einem Halbkreis aufgestellt. Auch die Sängerin steht wie die Instrumente in diesem Halbkreis und ist nicht besonders exponiert. Flügel und E-Piano bilden das Aussen des Halbkreises.

Grundaufstellung (GA): von links nach rechts im Halbkreis: Flügel, Kontrabass, Gesang, Klarinette, Flöte, Percussion, Geige, Cello, E-Piano.

Bei bestimmten Liedern treten einzelne Musiker in den Halbkreis (wie in der Partitur vermerkt).

Ein paar Gedanken zu diesem Liederzyklus

Am Anfang steht die alte Frage: Wie lassen sich Worte vertonen, wie in Musik fassen? Ich habe es immer als delikat empfunden, Worte in Musik zu setzen. Wie soll sich Musik zu einem Text verhalten? Ich bin der Meinung, dass Lyrik, aber auch jeder andere gute Text, eigentlich gar keiner Musik bedarf. Die Worte haben ihre eigene Kraft, erzeugen Resonanz im Leser oder Zuhörer. Wie also soll oder kann Musik den Worten etwas hinzufügen ohne bloss illustrativ zu sein? Und wann und wo, bei welchem Text, ist eine Vertonung sinnvoll - im Sinn von Ergänzung, Kommentar, Gespräch, einer anderen Beleuchtung? Ich stelle mir Worte gern als kleine feste Einheiten im Raum vor und möchte als Komponist meine Töne und Klänge in die Ritzen zwischen die Buchstaben und Worte setzen, die Zwischenräume eines Textes auffinden und in dieses Gefüge eindringen. Worte haben eine Materialität, Eigenschaften welche atrributiv umschrieben werden können: weich, hart, fliessend, beweglich. Ich stelle mir vor wie sich ein Ton auf dieser Oberfläche bewegt, Hindernisse überwindet, seinen Weg suchend. Das Wort hinterlässt einen Schatten auf dem Ton, eine Einschreibung als bleibendes Zeichen der Begegnung.  

 

Die Texte

とまるべき 宿をば月に あくがれて あすの道ゆく 夜半の旅人

Verführt vom Mond, wandert einer vorbei an seiner Herberge, folgt spätnachts dem Weg, den er anderntags gehen wollte  (Kyogoku Tamekane)

春は花 夏ほととぎす 秋は月 冬雪さえて すずしかりけり

Im Frühling Kirschblüten, im Sommer der Ruf des Kuckucks, im Herbst der Vollmond, im Winter kalter Glanz des Schnees: erquickende Reinheit! (Dogen)

色見えで うつろふ物は 世の中の 人の心の 花にぞ有りける

Ohne Farbenpracht langsam welkende Blume: das Menschenherz, das aufblüht und vergeht in dieser Welt (Ono No Komachi)

もみぢばの 流れてとまる みなとには 紅深き 浪や立つらむ

Rotes Herbstlaub treibt den Fluss hinunter zum Hafen: wo sich das Wasser staut spielen die Wellen wohl in leuchtendem Purpur (Sosei Hoshi)

むらさめの つゆもまだひぬ 槙の葉に 霧立ちのぼる 秋の夕暮

Vom Regenguss die Tropfen sind noch nicht getrocknet an den Zedernblättern steigt der Nebel auf im Abenddämmerlicht des Herbst (Jakuren Hoshi)

白露に 風の吹きしく 秋の野は つらぬきとめぬ 玉ぞちりける

Wenn ein heftiger Wind durch die glitzernden Tautropfen des Herbstfeldes fegt liegen sie ringsum verstreut: Perlen ohne Perlenschnur (Funya No Asayasu)

大空は 梅のにほひにかすみつつ 曇りもはてぬ 春の夜の月

Pflaumenblühtenduft verschleiert als Dunst den weiten Himmel - nur leicht umwölkt der Mond in der Frühlingsnacht  (Fujiwara no Sadaie)

ねがはくは 花の下にて 春死なむ そのきさらぎの 望月のころ

Was ich mir wünsche : Unter Kirschblüten zu sterben an jenem Frühlingstag als der Buddha dahinschied zur Zeit des vollen Mondes  (Saigyo Hoshi)

いはばしる 垂水の上の さ蕨の 萌え出づる 春になりにけるかも

Mit aufbrechenden Sprossen des Adlerfarns am Wasserfall, der über die Klippe schäumt, kündet der Frühling sich an! (Shiki no Miko)

春雨や ものがたりゆく 蓑と傘

Frühlingsregen - ins Gespräch vertieft ein Mantel aus Stroh und ein Hut aus Schilfrohr  (Yosa Buson)

秋風や 水より淡き 魚のひれ

Herbstwind-  die Flossen der Fische sind durchsichtiger als das Wasser (Mitsuhashi Takajo)

名月や 池をめぐりて 夜もすがら

Herbstvollmond die ganze Nacht um den Teich  (Matsuo Basho)

風になびく 富士の煙の 空にきえて ゆくへも知らぬ 我が思ひかな

Vom Wind getrieben zerfliesst am Himmel der Rauch des Berges Fuji - so auch wer weiss wohin meine innersten Wünsche  (Saigyo Hoshi)

 

(Tanka: Deutsche Uebersetzungen: Eduard Klopfenstein / aus dem Buch "Gäbe es keine Kirschblüten..." - Tanka aus 1300 Jahren / Reclam Verlag)

(Haiku: Deutsche Uebersetzungen: Ute Guzzoni und Michiko Yoneda / aus dem Buch "Weisse Tautropfen - 300 Haiku zu Regen und Nebel und Meer.../Parerga)

 

 

 

Zurück